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Tag 43 - San Quirico d’Orcia - Radicofani

  • Autorenbild: Brigitte Wanderlust
    Brigitte Wanderlust
  • 3. Juli 2022
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 30. Jan. 2023

Heute morgen erwache ich um 2 Uhr, als der Wecker klingelt. Wir haben uns gestern zu Dritt unterhalten und beschlossen, die mehr als 30 km lange Etappe von heute, früh morgens in Angriff zu nehmen. Die Herausforderung ist nicht die Länge des Weges, es ist die Wärme. Ich bin froh, wenn ich jeweils vor 12h ankomme.

Also stehe ich um 2 Uhr auf und um 2:37 machen wir uns zu Dritt auf den Weg.


Dorfauswärts begegnen wir den letzten Gästen in einer Bar, die gemütlich draussen sitzen. Es erinnert mich an frühere Zeiten zurück.


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Frühmorgens durch das Dorf


Es geht die ersten zweieinhalb Stunden breiten Schotterwegen entlang. Das ist in der Dunkelheit eine praktische Sache - Wurzelwege im Wald wären eine grosse Herausforderung gewesen. Gegen 4 Uhr biegt der Weg in einer Ortschaft rechts ab. Wir folgen ihm und gelangen zu einer Brücke. Sie ist leider abgesperrt. Einen Moment überlegen wir, trotzdem darüber zu gehen, tun es dann aber nicht. So gehen wir zurück zur Strasse und folgen ihr, was auch ganz angenehm ist.


Um 4:30 Uhr wird es langsam heller. Die Vögel beginnen zu singen. Wir legen kurz vor 5 Uhr eine kleine Pause ein. Irgendwo gibt ein Fuchs Laute von sich. Ich ziehe die Fusspolster über, da die Fussballen ein wenig druckempfindlich sind. Vermutlich vom vielen Gehen auf der Strasse. Und ich denke, dass das Gehen im Dunkeln (mit 1,5 Stirnlampen) auch mehr Aufmerksamkeit erfordert und meine Füsse mehr ermüdet, als wenn ich frisch fröhlich drauflos gehen könnte.


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Eine Bachbett wird überquert (1 von 5)


Es folgt ein Anstieg - noch immer auf der Strasse. Dann folgen wir erneut einem breiten, angenehmen Schotterweg. Ich bin ein wenig voraus und sehe in einem Olivenhain ein Reh. Kurze Zeit später vier weitere Rehe auf einer Wiese. Sie springen in den Wald, als sie Menschen wahrnehmen.


Mittlerweile ist es 5:40 Uhr geworden, die Sonne schiebt sich in den Horizont. Trotzdem fühlt sich der Morgen viel frischer an, als es beim Start um 2:30 Uhr war. Weiter vorne hüpfen zwei Hasen über die Strasse in einen Garten.


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Aufmerksam und wach


Wir haben noch keinen Kaffee getrunken und die einzige Möglichkeit ist ein Agriturismo. Vor der grossen Garage 200 Meter vom eigentlichen Haus entfernt sitzt eine Frau. Es ist kurz nach 7 Uhr. Sie begrüsst uns und deutet auf den Pfad, der unter dem Bauernhaus vorbeigeht. Ich frage sie darauf, ob es irgendwo Kaffee gäbe. Sie wiederum meint, wir sollen zum Agriturismo, dort sei ihre Tochter. Falls sie schon wach sei, würde sie uns bestimmt einen Kaffee machen. Es habe noch andere Gäste. Ich solle einfach mal an die Türe klopfen. Ich bin ein wenig skeptisch aber Agnete und ich gehen schon mal zum Haus. In der Tat steht sie in der Küche, kocht uns einen Kaffee und serviert ihn mit frischem selbstgemachtem Kuchen (denke ich zumindest). Ich geniesse es, ein wenig zu sitzen und zu sein. Es gibt drei junge Kätzchen, eines davon würde ich am liebsten auf den Rucksack packen und mitnehmen.


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Weite angenehme Pfade aufwärts


5 Minuten nach 8 Uhr gehen wir weiter. Wir alle wissen, wie trügerisch die Wärme sein kann und haben deshalb abgemacht, den gesamten Weg zusammen zu gehen respektive immer mal wieder aufeinandertreffen zu warten. Es ist auch mental eine Kraft, die zum guten Verlauf des Tages und der Freude daran beiträgt.


In unglaublich weiter Ferne kann ich bereits das Ziel auf dem Hügel erkennen. Es war seit ca 6 Uhr sichtbar, die Besitzerin des Agriturismo hat mir jedoch bestätigt, dass es sich effektiv um Radicofani handelt. Ich geniesse den Schatten vereinzelter Bäume am Wegesrand. Ein paar Meter weiter liegt eine tote Schlange auf dem Boden, evtl war es eine Viper.


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Zufrieden unterwegs


Eine Stunde später sehe ich ein Dorf an der rechten Seite des Hang und meine, das sei Radicofani. Ist es aber nicht - das hat sich meinem Blick entzogen. Erst gute 30 Minuten später taucht es nach der nächsten Erhöhung wieder auf.


Es verbleiben 7.8 km, als wir um 10 Uhr bei einem Brunnen mit Picknicktisch erneut eine Pause einlegen. Ich esse die zweite Banane des Tages, ein paar Nüsse, trinke Wasser und nehme ein halbes Dextroenergen.


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Blick zurück


Die nächsten 2h, bis wir um 12:15 in Radicofani ankommen, geht es gemächlich aufwärts, zwischendurch ebenaus. An zwei Pferden vorbei, und mit stetem Ausblick auf die Umgebung. Der Strasse entlang und am Schluss über einen Weg durch Wald und an Feldern entlang. Das erfordert erneut Kraft, ich habe heiss und schwitze. Zwischendurch bleibe ich im Schatten stehen und trinke Wasser. Ich habe für den Aufstieg mein Hörbuch eingeschaltet und konzentriere mich darauf. Das lenkt mich ein wenig ab und die Zeit vergeht. Ich schaffe den Aufstieg, und am Dorfanfang kommt die erste Bar in mein Blickfeld. Da es bis ins Zentrum nur noch 300 Meter sind, lasse ich die Bar links liegen und gehe die letzten Höhenmeter aufwärts. Am zentralen Platz treffen wir mit einem weiteren Pilger zusammen. Wir stossen auf den schönen aber strengen Tag an, später esse ich etwas. Danach spaziere ich mit Agnete ein wenig durch das kleine Dorf und wir setzen uns in zwei Kirchen ein. Dort ist es kühl. Ich denke, es ist gegen die 40 Grad an der Sonne.

Es ist schön, einfach zu sein. Angekommen zu sein. Zufrieden, ohne grössere Probleme.


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Die haben wohl auch heiss


Als ich um 16h ins Ostello trete bin ich dankbar, eine ruhige Unterkunft gefunden zu haben und mache mich gleich auf unter die Dusche. Nun liege ich auf dem Bett, unsicher, ob ich heute nochmals aufstehen werde.


Ich fühle mich gut gelaunt und friedvoll. Und spüre eine Müdigkeit in meinem Körper, die Zufrieden macht.




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